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Chance, sich von der Arbeit zu ‚befreien‘

 

 

Die Gregor Bossert GmbH begleitet Unternehmen Schritt für Schritt in die digitale Zukunft. Einzelunternehmer Gregor Bossert über die Digitalisierung der Arbeitswelt und ihre Auswirkungen auf Gesellschaft, KMUs und Erwerbstätige.

 

Gregor Bossert, Ihre Arbeit beeinflusst mehr als die eines Tischlers die wirtschaftliche und gesellschaftliche Wirklichkeit, in der wir leben und in der auch ein KMU agiert. Ist das für Sie ein Gesichtspunkt?

Gregor Bossert: Nein, nicht wirklich. Unsere gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung ist von unzähligen Faktoren abhängig, die sich in ihrer Gesamtheit nicht steuern und planen lassen. Solche Entwicklungen erfolgen nach dem Prinzip der Evolution. Was sich bewährt, setzt sich durch. Einzelne Beiträge zu dieser Entwicklung über ihre gesellschaftliche Relevanz zu bewerten macht wenig Sinn. Vieles ist miteinander nicht vergleichbar und auf seine Art für die grossen Prozesse sinnvoll und wichtig. Man sollte seine eigene Rolle in diesen Prozessen nicht überschätzen, jedoch im Rahmen seiner Möglichkeiten und Fähigkeiten die bestmöglichen Beiträge leisten und dabei den Sinn für die grossen Zusammenhänge nicht verlieren.

 

Sie arbeiten als Einzelunternehmen im komplexen Feld der digitalen Transformation, einer Sache also, die selbst bei kleineren Unternehmen viele betrifft. Passt das zusammen? Können Sie sich als Einzelner in die Perspektive dieser Vielzahl begeben, vor allem auch bei grösseren Betrieben? Und was sind die Vorteile, die Sie als Einzelunternehmen spezifisch in diesem Feld mitbringen?

Anknüpfend auf meine obige Antwort: Als Experte kann ich eine wichtige und relevante Sicht in etwas Grösseres einbringen. Dank meiner Erfahrung verstehe ich auch das „Big Picture“ und kann so in heterogenen und interdisziplinären Teams konzeptionelle und ökonomische (Mit)-Verantwortung übernehmen. Dazu kommt, dass ich formell zwar Einzelunternehmer bin, dank guter Vernetzung und langjähriger Zusammenarbeit mit eingespielten Teams aber sehr wohl auch mit der notwendigen Grösse und Substanz auftreten kann, wenn es die Projektsituation erfordert.

 

Was ist Ihrer Meinung nach der Hauptgrund, weshalb ein Unternehmen heute auf digital umstellen muss? Sind es äussere Zwänge?

Teilweise sicher. Die zunehmende Digitalisierung in unserem persönlichen Alltag bietet viele Annehmlichkeiten und weckt zunehmend Begehrlichkeiten in der Arbeitswelt. Was man durch ständiges Onlinesein mit immer smarteren digitalen Assistenten wie das Smartphone privat schätzt, möchte man natürlich auch während der Arbeit nicht missen. Also entsteht in den Unternehmen Handlungsdruck um attraktiv zu bleiben. Dazu sind KMUs oft Teil einer Wertschöpfungskette, in denen grosse und global agierende Unternehmen den Ton angeben. Auch was die Digitalisierung betrifft, bei denen diese oft schon relativ weit sind und Druck auf ihre Zulieferer ausüben. Es gibt aber auch die inneren Zwänge. Digitalisierung bedeutet Kostenoptimierung und die Chance, Geschwindigkeit und Qualität von Entscheidungen und betrieblichen Abläufen markant zu erhöhen. Diese Faktoren kann ein verantwortungsvoller Unternehmer oder Manager gegenüber seinen internen Anspruchsgruppen nicht ignorieren.

 

Digitalisierung und Automatisierung bedeuten am Ende auch: Einsparung von Arbeitskräften. Was machen die Mitarbeiter, die durch automatisierte Prozesse überflüssig werden? Was soll mit dieser doch riesigen Zahl passieren? Haben Sie da ein gesellschaftliches Modell im Kopf?

Die gesellschaftliche Diskussion dreht sich momentan vor allem um die Frage, ob es in Zukunft für uns alle mehr oder weniger Arbeit gibt. Die Geschichte zeigt, dass durch industrielle Revolutionen Arbeitsplätze verschwunden, aber noch mehr neue entstanden sind. Bei der digitalen Revolution könnte das erstmals anders sein. Entsprechend sind wir gefordert, neue gesellschaftliche Modelle zu entwickeln. Eine spannende Frage ist für mich, welchen Stellenwert die Arbeit für das soziale Prestige und die Selbstwertschätzung in Zukunft haben soll. Dazu brauchen wir eine breite öffentliche Debatte. Ich sehe in der Digitalisierung eine Chance, dass wir uns in Zukunft von der Arbeit, wie wir sie heute verstehen, teilweise „befreien“ und unsere Energien und Ressourcen in neue, sinnvollere Handlungsfelder investieren können, die persönlich und gesellschaftlich bereichernder sind. Etwas provokativ formuliert: Lasst uns die durch die Digitalisierung unnötig gewonnenen Arbeitsplätze nicht einfach ersetzen. Vielmehr sollten wir den Wert der Arbeit neu definieren und die freigesetzten Kapazitäten mit einem modernen und humanen Anreizsystem neu kanalisieren.

 

Früher gab es in Arbeitsprozessen oft den Allrounder. Den, der Dinge zusammensehen musste und in verschiedenen Bereichen Fertigkeiten und Fähigkeiten vorweisen konnte. Nicht zuletzt kleinere KMUs lebten von diesem Typus. Stirbt dieser Allrounder mit der Digitalisierung aus?

Ich glaube, dass der Allrounder im herkömmlichen Sinn durch die Spezialisierung tatsächlich an Bedeutung verliert. Dafür werden Leute, die vernetzt und in grösseren Zusammenhängen denken können, immer wichtiger.

 

Digitalisierung bedeutet konkret bessere Kontrollmöglichkeiten. Besser und mehr kontrolliert werden zum Beispiel auch Mitarbeiter. Kann das nicht auch lähmen? Oder anders gefragt: Was macht es in Ihren Augen spannend, als Mitarbeiter in einer digitalisierten Arbeitswelt zu arbeiten?

Indem man die Chancen nutzt und durch den Abbau von repetitiven und langweiligen Arbeiten den gewonnenen Spielraum kreativ nutzt. Was die Kontrolle angeht: Hier braucht es Augenmass für sinnvolle Lösungen, die zwischen den Parteien ausgehandelt werden müssen.

 

Die Digitalisierung wird zweifelsohne durch die globale Marktwirtschaft vorangetrieben. Diese tendiert dazu, immer mehr Kapital in immer weniger Händen zu konzentrieren. Das ist nicht unbedingt die Wirtschaft der KMUs. Beschleunigt in Ihren Augen die Digitalisierung das Verschwinden kleinerer Firmen und trägt sie auch dadurch zur Uniformierung der Arbeitswelt bei?

Die Digitalisierung ist grundsätzlich nicht nur in einem rein kapitalistischen Wirtschaftssystem möglich und sinnvoll. Ich glaube, wir sollten längerfristig eine grundsätzliche Debatte über Eigentum und Nutzen führen. Aber um es etwas weniger philosophisch und konkreter auszudrücken: Die Digitalisierung schafft auch neue, kreative Spielräume und somit Platz für neue und somit auch kleine Marktteilnehmer wie Startups. Damit ist klar, dass KMU’s auch in Zukunft Perspektiven haben und in unserer Wirtschaft eine zentrale Rolle behalten. Sie werden in die grossen globalen Wertschöpfungsketten integriert sein und wenn sie durch grosse Unternehmen vielleicht übernommen werden, entsteht wieder Platz für neue unternehmerische Initiativen.

 

Sie schreiben auf Ihrer Website, dass sich unternehmerische Entscheidungen durch die digitale Transformation qualitativ verbessern. Was genau ist es, das diese qualitative Verbesserung herbeiführt? Ist es einfach die Vermehrung der Datenbasis?

Die Vermehrung der Datenbasis schafft zunächst die Voraussetzung, dass darin Muster und Zusammenhänge erkannt werden können. Mit intelligenten Algorithmen, sogenannten Business Rule Engines, können solche Muster und Zusammenhänge maschinell interpretiert und daraus Schlussfolgerungen gezogen werden. Das bedeutet, dass Entscheidungen, im Zusammenspiel zwischen Mensch und Maschine, in Zukunft potentiell schneller und qualitativ besser getroffen werden können.

 

Können Sie Ihre Antwort vielleicht anhand eines Beispiels ausführen, das für ein KMU relevant ist?

Ein konkretes Beispiel ist die Automatisierung des Leasingantragprozesses einer grossen Leasinggesellschaft. Durch die schnellere Bearbeitung der Anträge kann Zeit und Geld eingespart werden. Der Kunde in der Garage – typische KMUs – muss nicht mehr zwei Wochen auf die Bewilligung warten, sondern weiss nun noch während seines Besuches beim Händler, ob die Finanzierung klappt und das Wunschauto bestellt werden kann. Das führt zu einer höheren Abschlussrate und Kundenbindung für den Händler. Was die höhere Entscheidungsqualität betrifft: Infolge einer differenzierteren und durch Parameter steuerbaren Entscheidungsfindung durch die Rule Engine können wahlweise die Ausfallwahrscheinlichkeit der Leasingverträge verkleinert oder das Abschlussvolumen erhöht werden (durch striktere oder grosszügigere Berücksichtigung und Anwendung der Bonitätsparamter). Somit ist das Unternehmen in der Lage, situationsgerecht Entscheide „besser“ zu fällen.

 

Eine letzte Frage: Wird ein KMU in Ihren Augen alles in allem durch die digitale Transformation abhänginger (von anderen, firmenexternen Strukturen, Technik, Energie, etc.) oder vergrössert sie gerade seine Unabhängigkeit?

Das muss man differenziert betrachten. Natürlich schaffen die für die Digitalisierung notwendigen Infrastruktur und Rahmenbedingungen neue Abhängigkeiten. In anderen Bereichen schaffen die durch die Digitalisierung gewonnene Unabhängigkeit von Standorten und die Möglichkeiten der Virtualisierung erhöhte Mobilität und machen die Unternehmen flexibler. Auch in Bezug auf die Fähigkeit, ihre Geschäftsmodelle schneller neuen Anforderungen und Bedürfnissen anzupassen.

Interviewpartner

Gregor Bossert GmbH

Gregor Bossert